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Stadtzeitung Żmigród: Neues aus Bargteheide (3)


Hier ist die deutsche Übersetzung des letzten Artikels von Christof Leidner für die Stadtzeitung Żmigród.

Neues aus Bargteheide

Verehrte Damen und Herren, hier kommt der nächste Teil meiner Rubrik mit Schlaglichtern auf verschiedene größere und kleinere Ereignisse in Bargteheide, der deutschen Partnerstadt Żmigróds. Auf der Grundlage von Informationen aus der Lokalpresse und öffentlich zugänglichen Quellen möchte ich Ihnen laufend unser Leben, unsere Sorgen und Freuden hier in Bargteheide näherbringen. Und ich garantiere, dass ich das auf keinen Fall objektiv tun werde.

  • Im Zusammenhang mit der Corona-Situation habe ich eine außerordentlich schwierige Aufgabe, weil ich diesen Text vor den Weihnachtsfeiertagen einreichen musste und einem in diesen Zeiten das Wort im Munde veraltet. Allerdings bin ich kein Hellseher und kann darum nur so viel sagen, dass bis zum Erscheinen dieser Ausgabe der Żmigróder Nachrichten in unserem Landkreis drei Impfzentrum vorbereitet sein sollen. Und vielleicht werden sie schon arbeiten, wenn Ampullen, Spritzen und Impfstoff geliefert worden sind. Zu den ersten Impfkandidaten gehören Hochrisikopatienten, Mitarbeiter im Gesundheitswesen und der Öffentlichen Sicherheit, sowie Lehrer. Und alle anderen dürfen noch eine Weile intensiv darüber diskutieren, ob die Einschränkungen nicht ausreichend oder zu weit gehend sind.

  • In ganz Deutschland tun die Behörden alles dafür, um die Schulen auch während der Pandemie offen zu halten, was ihnen bis Anfang Dezember so halbwegs gelungen war. Dadurch kann ich über ein interessantes Projekt aus der Emil-Nolde-Grundschule berichten. Die Kinder bauen dort im Klassenzimmer in drei Hochbeeten Gemüse und Kräuter an. In kleinen Gruppen kümmern sie sich um die Pflanzen und beschäftigen sich parallel im Unterricht mit Biologie, Lebensmitteln und gesunder Ernährung. Und so haben sie die Ernteerträge bereits zu Pesto verarbeitet, das ihnen mit frischem Brot gut schmeckt. Das ist mal was anderes als Fastfood.

  • Ende Oktober ging der auch in Żmigród bekannte Eddi Buczkowski in Rente. Der aus Wałbrzych (ehemals Waldenburg) stammende Bargteheider gehört zu den beliebtesten Vertretern der Bargteheider Polonia. 35 Jahre lang war er Küster der evangelischen Kirchengemeinde und übte dabei die Rolle des Fahrers, Hausmeisters, Objektschützers, Unterhaltungskünstlers, Kirchenführers für Żmigróder Gäste und noch einige andere aus. Im Arbeitskittel machte er dabei eine genauso gute Figur wie im guten Anzug bei den Gottesdiensten. Er verkörpert schlicht den bekannten Satz: „Ein Pole kriegt‘s hin.“ Er wurde bei einem Gottesdienst verabschiedet, der wegen der Epidemie auf der Kircheninsel stattfand. Wir wünschen Eddi einen angenehmen und gesunden Ruhestand und freuen uns, dass wir bei künftigen Begegnungen weiterhin mit mindestens zwei seiner Begabungen rechnen dürfen: dem Akkordeonspiel und seiner guten Laune.

  • Die politischen Scharmützel zwischen Stadtvertretern und der Bürgermeisterin gehen weiter. Die Führungen dreier Parteien, die der Bürgermeisterin Kompetenzüberschreitungen und unterlassene Umsetzung von Beschlüssen der Stadtvertretung vorwerfen, trugen bei einer Pressekonferenz zahlreiche Beispiele dafür vor. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Vorwürfe geriet ihnen das Sündenregister so lang, dass sich die Zeitungen seines Inhaltes recht beliebig bedienten und die Leser nur mit Mühe verstanden, worum es im Kern überhaupt geht. Die Bürgermeisterin entgegnete trocken, sie habe lediglich unsinnige Beschlüsse in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht, was die Empörung der unzufriedenen Politiker nur noch steigerte. Sollen sie sich streiten. Das letzte Wort haben ohnehin die Wähler, denn eben sie werden in eineinhalb Jahren über das Schicksal der Bürgermeisterin und ein Jahr später über die Zusammensetzung der Stadtvertretung entscheiden. Und dann zählen Arbeitsergebnisse.

  • Davon, dass die deutschen Verbrechen im zweiten Weltkrieg bis ganz zum Schluss andauerten, zeugen die Todesmärsche, bei denen SS-Mannschaften die ausgemergelten Häftlinge aus Konzentrationslagern ins Nirgendwo trieben. Dabei wurden zahlreiche Menschen ermordet. Einer dieser Todesmärsche [im Original auf Deutsch – C.L.] führte aus dem Hamburger Lager Neu-engamme genau durch Bargteheide, wo die gequälten Menschen eine Nacht in einer Scheune in der Dorfmitte verbrachten. Zum 75. Jahrestags dieses traurigen Ereignisses hat eine Gruppe unterschiedlicher Aktivisten einen Audioguide entwickelt, mit dem sich der Verlauf der Route auf Bargteheider Gebiet nachvollziehen lässt. Die Aufnahme lässt sich mit einem QR-Code starten oder auf der Seite http://www.der-marsch.de finden. Die Auseinandersetzung mit der eigenen unrühmlichen Geschichte ist immer schmerzhaft. Dennoch ist das Bekenntnis zu den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte seit vielen Jahren ein unverbrüchlicher Teil der Identität Nachkriegsdeutschlands.

  • Tom Stellmacher ist ein Künstler, der in Bargteheide aufgewachsen ist. Er hat Kunst und Kommunikationsdesign studiert. Heute hat er sein Atelier in einem früheren Laden, wo er auch Jugendlichen Kunstunterricht gibt. Jüngst rief er die Bargteheider dazu auf, ihm ihre geheimsten Wünsche zu schicken, damit er sie erfüllt – wenigstens künstlerisch mit Buntstiften auf Zeichenkarton im Minaturformat (5x8cm). Die vergrößerten Kopien zieren jetzt die gläserne Front des Ateliers. Die Wünsche sind recht verschieden, sowohl konkret als auch abstrakt. Die Menschen können dann vergrößerte Farbkopien für 1 Euro das Stück erwerben oder das Original für eine freiwillige Spende. Als seriöser Journalist der Żmigróder Nachrichten musste ich mich von dieser Möglichkeit natürlich selbst überzeugen. Und tatsächlich entdeckte ich einige Tage nach-dem ich den Wunsch eingereicht hatte, das entsprechende Bild im Schaufenster.

Ausgewählt, bearbeitet und kommentiert von Christof Leidner


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